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Gastbeitrag: Wie sind wir denn nun? Oder: Die Jordan-Subban-Frage

Menschen, die von woanders herkommen, haben es in Österreich leider nicht so leicht, wie sie es haben könnten. Und sie haben es keinesfalls so leicht, wie wir es gerne hätten, wenn wir in ein anders Land gehen, was ich selbst bei Aufenthalten in verschiedenen Ländern genossen habe. Zu weiß, zu groß, spricht die falsche Sprache, glaubt nicht an irgendeinen Gott: Alles egal.

Falsche Zeit, falscher Ort
In Österreich hingegen reicht es oft schon, aus dem falschen Tal zu stammen, um abgelehnt, verspottet oder tatsächlich mit Hass überschüttet zu werden. Wie schlimm ergeht es erst Menschen, deren Hauttyp nicht dem ortsüblichen entspricht? Viele bemühen sich nach Kräften, Personen anderer Hautfarbe das Ankommen oder den Aufenthalt in Österreich zu vereinfachen – und sowas wird schnell zunichte gemacht. Von einzelnen, die Dinge sagen wie „mit dem Kind spielst du nicht, das stinkt“. Und falls sich das jemand nicht vorstellen kann, das ist einer Kindergartenfreundin meiner Tochter in meiner Gegenwart zugestoßen. Das entzückendste kleine Mädchen, das man sich vorstellen kann, mit den wuscheligsten Haaren und von Guinness-färbigem Antlitz, soll in der Sandkiste nicht mit einem anderen Kind spielen, denn es rieche schlecht? Aufgrund der Haarfarbe? Was zum Geier ist los mit solchen Leuten? Das blieb nicht unwidersprochen: Man steht für Freunde – aber auch für Schwächere oder die, die sich nicht wehren können, ein. Ist so, alles andere ist Duldung durch Schweigen — “qui tacet, consentire videtur” für die Lateiner unter uns.

Subban und die Grazer Affen(laute)
Worum geht es überhaupt? Ich dachte, hier geht es um Eishockey? Sollte es jemand nicht mitbekommen haben: Grazer Fans haben Freitagabend Dornbirn-Spieler Jordan Subban gegenüber Affenlaute benutzt. Die 99ers stellen die Sachlage so dar:
„gestern (sic!) ist es im Zuge des Spiels gegen die Bulldogs aus Dornbirn zu rassistischen Äußerungen einer kleiner Gruppe von Personen hinter dem Tor gegen den Spieler des Dornbirner EC, Jordan Subban gekommen.“ Diversen Einträgen in sozialen Medien war zu entnehmen, dass durchaus bekannt ist, wer die Urheber dieser Affenlaute waren:

Fans aus der Grazer Halle wissen, von wem die Schmährufe kamen, geben sie an

und dass sie bereits durch andere Vorkommnisse, wie etwa „Sieg Heil“-Rufen aufgefallen seien, wie ein mir persönlich bekannter jahrelanger Insider durchblicken ließ.

Einem anderen langjährigen Hallenbesucher steht es bis hier.


Glücklicherweise zeigten sich die meisten der österreichischen Eishockey-Fans solidarisch mit Jordan Subban. Lobend erwähnt seien die Rude Boys aus Klagenfurt, die beim Sonntagsbesuch der 99ers ein Solidaritäts-Transparent zeigten. Für die wenigen, die ein Problem mit dem Thema haben, gibt es ganz unten noch einen Denkanstoß.
Gefragt sind aber jetzt mehrere Ebenen.

Sie handeln – aber wie?
Nun sind die diversen Stakeholder, wie man nunmehr sagt, gefordert. Sie müssen handeln, und zwar schnell, allein, weil am Dienstag Mountfield aus Tschechien in der Champions League zu Gast in Graz ist. Und nichts, vertraut mir diesbezüglich, hasst die Ligaführung mehr, als im internationalen Vergleich als Schmuddelkind dazustehen.
Die ServusTV HockeyNight, mit einer aller Ehren werten Besatzung, beschloss, die Geschehnisse  in ihrer sonntäglichen Übertragung nicht zu thematisieren, brachte aber immerhin ein Social Video zustande:  https://twitter.com/SHN_EBEL/status/1180866025212055552
Sky hat bislang nicht von sich hören gemacht. Man darf mich da gern korrigieren.
Die Liga, wie auch die 99ers gibt Bekenntnisse ab, es gäbe keinen Platz für solche Szenen, lautet der Tenor.
Alle vier werden sich daran messen lassen müssen, wie es dann wirklich um die Umsetzung steht.
Genauso wichtig sind aber andere Aspekte: Wie viele Eltern gehen gerne mit ihren Kindern zu einem Event, nach dem sie erklären müssen, warum jemand „Uh-uh-uh“ gerufen hat?
Wie viele Fans wollen mit solchen Gestalten in einen Topf geworfen werden?
Und, last but not least: Die Sponsoren. Die Erste Bank Eishockey Liga ist eine Liga von internationalem Renommee, eine transnationale Liga mit großen Sponsoren. Diese Sponsoren sind Unternehmen, die im Wettstreit um internationale Kunden, Aufträge und selbstverständlich auch Arbeitskräfte, stehen. Ein wirklich guter Entwickler, der absagt, weil er nicht einem Land mit Troglodyten, denen keine Grenzen aufgezeigt werden, leben will, kann einem Unternehmen richtig teuer kommen.
Wie also werden Liga, betroffener Klub, TV-Partner (die sonst jede halbwegs strittige Schiedsrichterentscheidung zum Klicks-Generieren nützen), Medien (gerade diejenigen in einer Medien-Partnerschaft mit dem Verein…), zahlende Gäste, Sponsoren und Fans reagieren? Halten sie dagegen oder riskieren wir per Runterspielen Verhältnisse wie in gewissen Fußball-Ligen?


Menschlichkeit siegt!?
Wir hören in diesen Tag viel von Menschlichkeit – wo bleibt die? Die hört für manche da auf, wo sie sich über andere erheben können. Noch schlimmer ergeht es Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen. Menschen, die ihrem Job als Profi-Sportler nachgehen und sich dafür mit geworfenen Bananen oder deren Schalen, Schmährufen, Affenlauten genauso auseinandersetzen, wie mit Beleidigungen, die auf ihre Herkunft (Hoppala, schon wieder Eishockey-Graz..), sexuelle Orientierung (2019 wagte es der erste Profi-Eishockeyspieler, sich zu outen, selbst die meisten Fußballer muten sich und ihrem Umfeld dieses Schritt erst zu, wenn die Karriere vorbei ist.) oder sonst was.

Ich höre schon wieder die „früher-war-alles-besser“-Brigade jammern: „Nichts darf man mehr sagen“, „Politische Korrektheit ist Zensur!“, „Wo ist meine Meinungsfreiheit?“. Und wie so oft bei solchen Argumenten bleibt eine Antwort: „Ihr könnt sagen, was ihr wollt. Was andere von euch denken, nachdem ihr das gesagt habt, fällt aber in deren Bereich. Und wenn das bedeutet, dass euch keiner mag, dann ist das eure Schuld und nicht die Schuld irgendwelcher anderen.“

Und jetzt?
Es ist unser aller Pflicht, aufzustehen und dagegen zu halten, wenn sich sowas abspielt. Sei es, in dem man selbst durchgreift, womit sich viele nicht wohl fühlen — verstehe ich. Oder, in dem man selbst ein Rudel bildet, und/oder Exekutiveinheiten verständigt. Wir lassen uns unsere Freunde von ein paar geistigen Tieffliegern nicht vertreiben. Stand up, Speak up. #StandwithSubban