Zu Saisonbeginn ist bei jedem Team die Kapitäns-Entscheidung zu treffen. Hier gibt es unterschiedliche Herangehensweisen, um zu einem C (Captain) bzw den zwei A (steht für Alternate Captain und nicht für Assistant Captain*¹) zu kommen. In der NHL trifft diese Auswahl die Vereinsführung, da haben Spieler gar kein und bestenfalls Trainer ein wenig Mitspracherecht. Dort gibt es auch grundsätzlich drei Alternate Captains, im Falle der Edmonton Oilers vor zwei Jahren gab es sogar keinen einzigen Kapitän, dafür durften Taylor Hall, Andrew Ference, Jordan Eberle und Ryan Nugent-Hopkins zu viert das „A“ repräsentiern. Quasi als Überbrückungsjahr bis Connor Mc David „ready to take over“ war, um im Vorjahr zum Anführer der Oilers für einen wohl sehr langen Zeitraum erkoren wurde.
In Österreich gibt es zwei ziemlich konträre Vorgehen: Entweder wählt das Team – so wie diese Woche in Linz (Phil Lukas) oder der Trainerstab bestimmt – wie zB in Wien (Andi Nödl) oder Klagenfurt (Manuel Geier).
Die Frage nach dem „wie“ ist für viele vielleicht irrelevant – für mich aber eine sehr bedeutende.
Sollte der Trainer bestimmen oder soll das Team basisdemokratisch zu einer Entscheidung kommen? Als Spieler war ich immer der Ansicht, diese Wahl sollte von uns Akteuren selbst getroffen werden. Das ginge die Leute außerhalb der Kabine (und dazu zählen auch die Coaches) nichts an.
Seit meinen Jahren als Trainer habe ich da aber doch einiges dazugelernt und sehe die Angelegenheit nunmehr völlig konträr:
Der Captain ist das Aushängeschild des Vereins (Außenwirkung), er ist Kommunikator mit den Schiedsrichtern auf dem Eis (ebenfalls Außenwirkung) und er ist das Bindeglied zwischen Trainer/Vorstand/Team (Innenwirkung). In diesem Fall ist es aber umso wichtiger, dass der Draht zwischen Trainer und Captain ein guter, ein vertrauensvoller ist. Denn nur so können Entscheidungen gegenüber Fans (außen) und gegenüber Vorstand und Management (innen) seriös abgehandelt werden. Ebenso muss der Trainer darauf vertrauen können, dass der Kapitän im Gespräch mit Schiedsrichtern nicht zum Dauer-Heißläufer mutiert und somit dem gesamten Team mit seinen Interventionen schaden könnte. Der Trainer muss einfach Gewissheit haben, sich auf den von ihm ernannten Anführer verlassen zu können und wird daher im Regelfall auch jemanden benennen, der innerhalb des Teams genug Ansehen hat. Nehme ich hier das größte Weichei von allen, dem ich vielleicht auch so gut wie keine Eiszeit gönne, werde ich als Trainer wohl keinen allzu großen Respekt unter den Spielern genießen. Daher wird ein Trainer ohnehin den Stellenwert des von ihm Auserkorenen innerhalb des Teams berücksichtigen.
Gegenargument: Der Captain sollte seine Jungs vertreten und daher auch von diesen dazu per Wahl legitimiert worden sein. Dem ist durchaus etwas abzugewinnen. Schließlich habe ich es ja früher selbst so gesehen. Allerdings setze ich Folgendes entgegen: Der Captain ist kein Betriebsrat!
Er vertritt nicht (ausschließlich) die Spieler gegenüber dem Trainer/Verein, obwohl das natürlich manchmal vorkommt. Aber im Grunde ist er vielmehr jene Person, die das Team repräsentiert (wieder: vereinsintern aber auch extern). Und zu oft habe ich erlebt, dass gerade bei Trainingsstart im Sommer, wenn viele neue Spieler zusammenkommen, zumeist nach Sympathiepunkten gewählt wird. Man hat noch gar keine Druck- oder Stress-Situationen gemeinsam durchlebt und weiß daher gar nicht, wie ein Mitspieler in einer Krise reagieren wird. Der eine oder andere Spieler war vielleicht beim ersten gemeinsamen Post-Practice-Drink oder beim Fan-Club-Barbecue lustiger als der andere. Oder umgekehrt: Ein neuer Crack, auch wenn er noch so viele Leadership-Qualitäten mitbringt, wird den Teufel tun und sich nach ein paar Wochen Trainings-Camp in einer neuen Stadt, in einem fremden Land oder sogar auf einem anderen Kontinent 20 Team-Kollegen als Kapitän aufdrängen. Obwohl er eventuell eine bessere Wahl gewesen wäre, als andere, meist einheimische oder ansässige Spieler. Zu oft habe auch ich mich in jungen Jahren im August blenden lassen und hier falsche Entscheidungen getroffen, die sich während der Saison dann gerächt haben.
Wenn es um die Vertretung der Spielerinteressen geht, sehe ich eher den Sinn in der Wahl eines Spieler-Rates, der dann – ähnlich wie ein Betriebsrat – sich um Probleme der Spieler kümmert und sie als deren Vertretung gegenüber dem Coach, vor allem aber gegenüber dem Verein als Arbeitgeber, vertritt. Parade-Beispiel: Ausstehende Entgeltzahlungen. Ein Spieler alleine wird nur selten den Mumm haben und die offenen Beträge von Anfang an beim Manager/Verein einfordern. Zu groß ist hier die Gefahr, mich als Einzelspieler unbeliebt zu machen, meinen Vertrag fürs nächste Jahr aufs Spiel zu setzen oder in einer Diskussion über zu wenig geschossene Tore zu enden. Ein Faktum, dass halt so gar nicht als Vereins-Ausrede für nicht bezahlte Löhne herhalten darf. Deswegen sollten Mannschaften jedenfalls schauen, dass sie hier Personen wählen, die dann den Verantwortlichen gegenübertreten und im Namen des Teams berechtigte Forderungen auch artikulieren können. Diese Person kann natürlich auch – muss aber nicht zwangsläufig der Kapitän sein.
Habe ich Leute wie Phil Lukas in Linz als Kapitän, ist jedoch die Wahrscheinlichkeit ohnehin sehr groß, dass er all diese verschiedenen Aufgaben in Personalunion wahrnehmen bzw für alle Seiten zufriedenstellend erfüll wird!
*¹) Siehe dazu IIHF Rule Book (2014-2018) Rule 28. Ergibt auch mehr Sinn, denn die Alternate Captains sollen den Captain im Falle von dessen Verhinderung bei Gesprächen mit den Schiedsrichtern alternativ ersetzen/vertreten, aber keinesfalls bei solchen Gesprächen „assistieren“.
Nachtrag vom 19.09.2017:
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