wavatar

GAME OVER

GAME OVER!

Erinnert Ihr Euch noch daran, als wir Kinder waren und in einer Spielhölle in Italien oder im Wiener Prater irgendwelche Automaten bearbeiten durften und nach viel Zuckerwatte und Eiscreme dann doch immer sehr traurig waren, als das endgültige Ende durch unsere Eltern verkündet wurde. Keine weiteren Lire oder Schilling mehr. Zeit nach Hause zu gehen.

Nun ja, so ähnlich ist gerade unsere Gefühlslage hier in Linz. Dienstag, 10.03.2020, kurz nach 16 Uhr. Lyle Seitz ruft unseren Leiter der Sendung, Markus „Uwe“ Unterweger an und teilt ihm mit, dass nicht nur das heutige Spiel abgesagt wird, sondern die gesamten Playoffs und somit die Saison in der Erste Bank Eishockey-Liga. Das ist nun generell ein heftiger Schlag für alle Sportler, Fans und auch uns Medienvertreter. Man arbeitet ab spätem Sommer auf nichts anderes hin als die diese sechs Wochen im Jahr, in denen wir jeden zweiten Tag übertragen, tausende an Reisekilometer zurücklegen und uns einfach nur an den Jahr für Jahr tollen Playoff-Serien erfreuen.

Es tut aber doppelt weh, weil es für uns als Team die letzte Servus Hockey Night der Geschichte sein wird.

Bereits vergangenen Herbst wurde bekannt, dass nach der heurigen zehnten Saison Schluss sein wird. Das war damals kurzfristig ein ziemlicher Schock für uns alle. Trotzdem ging ja vorerst alles weiter wie gehabt. Jeden Sonntag eine Sendung und nun gilt es die letzten Wochen bis zu einem hoffentlich spannenden Finale zu genießen. Dieses soll der krönende Abschluss sein und mehrmals haben wir intern schon darüber gesprochen, welch sentimentaler Moment dies wohl werden wird. Natürlich sind für diese letzten Spiele sämtliche Crew-Mitglieder geladen – egal ob im Einsatz oder nicht. Wir hätten nochmals fettes Programm abgespult, um uns beim treuen Eishockeypublikum standesgemäß nach zehn Saisonen zu verabschieden.

Und dann kommt der 10.03.2020. Ich gehe am Vormittag noch völlig unaufgeregt meinen juristischen Aufgaben in meinem Hauptjob nach und werde dann kurz vor dem Mittagessen vom Regierungsbeschluss doch ein wenig überrascht. Während ich am Tisch mit meinen KollegInnen sitze, unhöflicherweise dauernd telefoniere, whatsapps und Mails lese bzw schreibe, um vorerst mal abzuklären, ob Kommentator Philipp Krummholz und ich nun überhaupt nach Linz anreisen sollen, jagt ein Gerücht das nächste. Wird es ein Geisterspiel geben unter Ausschluss der Öffentlichkeit? Wird das heutige Spiel abgesagt werden? Die Spannung steigt. Jedenfalls fahren wir mal nach Linz. Und wir verschwenden noch keinen einzigen Gedanken an ein vorzeitiges Saisonende.

In Linz angekommen. Kalt, schiarch, Regen, alles pfui. Genau, in dem Moment, in dem wir die Besprechung für die vielleicht stattfindende Sendung beginnen wollen, kommt dann der vorhin beschriebene Anruf vom Director of Hockey Operations, Lyle Seitz.

Aus, vorbei, Ende. Es ist Tim Heiss, der es dann ausspricht: „Damit ist das aber heute auch unsere allerletzte Sendung überhaupt.“

Und das ist dann schon ein heftiger Schlag. Denn normalerweise ist es bereits am Ende einer jeden Saison schwierig gewesen, dieses tolle Team zu verabschieden und zu wissen, dass man einander erst wieder in rund einem halben Jahr sehen wird. Aber heute, das fühlt sich anders an. Das fühlt sich endgültig an. Das fühlt sich nicht gut an.

Dementsprechend mies gelaunt geht es nun ab zur Sendung. Schminken, Interviews durchbesprechen, Verkabeln, ein bisschen wie sonst auch. Aber halt sehr wehmütig. Unser Regisseur wünscht uns wenige Sekunden vor Beginn ein letztes Mal „Spaß und Freude“ und schon spulen wir unser Programm gewohnt eingespielt ohne Fehler runter. Und dann kommt der große Auftritt jenes Mannes, der seit Anbeginn der Servus Hockey Night mit dabei ist und die letzten Jahre maßgeblich mitgeprägt hat.

Martin Pfanner, dem normalerweise kein Lächeln auf Sendung auskommt … naja, es kommt ihm auch diesmal keines aus, hält eine tränenreiche Abschiedsrede, die nur wenige Stunden später bereits unzählige Male im Netz geteilt wird und ausschließlich positives Feedback hervorruft.

Was dann passiert ist? Andi Kristler und Peter Freunschlag laden uns zur Abschiedsparty der Black Wings in deren VIP-Club ein. Wir sagen nicht nein, schauen auf ein Getränk vorbei und unterhalten uns mit den ebenfalls völlig überraschten Linzer Cracks und Vereinsverantwortlichen. Aber ich merke, wie ich nicht zur Ruhe komme. Nachrichten von Freunden, von Bekannten, von weniger Bekannten und auch von gar nicht Bekannten trudeln auf dem Handy ein. Twitter und Instagram gehen (für meine bescheidenen Verhältnisse) mit Mitteilungen über. Ich höre dann irgendwann zu lesen auf, weil wir ja auch wieder heimreisen müssen und verschiebe das Lesen all der messages auf Mittwoch. Wird ja in den nächsten Tagen noch genug Zeit sein.

Was ich allerdings nicht verschieben kann, ist diesen Blog nun zu Hause in Wien zu Ende zu schreiben und ihn – ohne ihn gegenlesen zu lassen – einfach online zu stellen. Inklusive aller Tipp oder sonstiger Fehler und Zeitensprünge. Warum das so dringend ist?

Weil die meisten von uns Fernsehmenschen, eher extrovertiert sind. Gefühle, müssen raus. Sei es vor der Kamera oder halt in Form eines Blogs. Denn nach einer Nacht „drüber schlafen“ ist das alles schon wieder viel zu normal und gewohnt.

Die LeserInnen dieses Blogs und alle ZuseherInnen der SHN sollen ruhig wissen, dass auch wir als Mitglieder einer Redaktion, die seit einer Dekade Spieltag für Spieltag gute Laune vor der Kamera verbreiten, in diesem Moment sehr sentimental sind.

Ich weiß auch, dass es sich hier um ein Luxus-Problem handelt. Wir sind alle nicht von akuter finanzieller Armut bedoht, wir müssen vor keinem Krieg flüchten und wir sind im Großen und Ganzen (bis auf 4fach-Gee und seine Zahnentzündung) alle recht gesund. Also kein Grund zu meckern. Aber das abrupte Ende einer zehnjährigen Zusammenarbeit mit all diesen netten und eishockeyverrückten KollegInnen und FreundInnen ist trotzdem irgendwie heftig.

GAME OVER!