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ERICH WEISS

Heute wäre Semifinale III – ich schreibe lieber über Erich Weiss.

Ich kannte Erich aus dem Fernsehen. Seit frühester Kindheit verfolgte ich die (wenigen) Eishockeyspiele, die der ORF übertrug und lauschte dabei seinen Ausführungen. Eishockey im österreichischen TV war Erich Weiss (und manches Mal Robert Seeger). Erst als ich schon ein wenig älter war, ergänzte Michi Berger als weiteres Hockey-Gesicht das ORF-Team.

Zu einem ersten persönlichen Treffen mit Erich kam es dann bei meinem allerersten Einsatz für laola1.tv. Wir übertrugen aus Graz (gegen Villach) und Erich war als Kommentator eingeteilt. Bei der Ablaufbesprechung gab ich ihm die Hand, stellte mich kurz vor und wir plauderten ganz kurz über das aktuelle Hockeygeschehen.

Erich Weiss fällt Dir nicht gleich um den Hals, er vereinnahmt Deine Person auch nicht mit dem ersten Handshake, er strahlt auch nicht diese gewinnende Herzlichkeit aus, wie es der vor zwei Spieltagen an dieser Stelle beschriebene Andi Gröbl tut.

Aber trotzdem hat er von der ersten Sekunde an eine Strahlkraft, die ihresgleichen sucht. Wir nannten ihn bald einmal „Sir Erich Weiss“. Einfach, weil er eine solche Ruhe und Gelassenheit verbreitete, dass man sich an diesem souveränen Auftreten als Medienneuling immer anhalten konnte. So hektisch konnten die Proben und Sendungen gar nicht sein. Erich behielt nicht nur die Ruhe – nein, er fand auch Lösungen, um den Laden zu schupfen. Er übernahm Verantwortung onair, denn letzten Endes sind es die Leute, die man sieht und hört, denen das Publikum die Fehler einer Übertragung anlastet. Egal, ob sie dafür tatsächlich verantwortlich sind oder nicht.

Anfangs wurde Erich von den Hockeyfans viel kritisiert. Er kommentiere im alten Stil, so ORF–mäßig, er sei zu weit weg vom Spiel. Und ja, es war nicht leicht neben Basti Schwele und Guido Friedrich nicht „alt“ auszusehen.

Die Beiden brachten so viel Pepp in eine Live-Übertragung, wie man es in Österreich gar nicht gewohnt war. Ich fand die beiden auch überragend. Aber dann hatte Christopher Ryan die Idee, in den Playoffs 2011 jedem Kommentator einen Experten als Co-Komm zur Seite zu stellen. Und das war für mich das wahre Comeback von Erich im Eishockey.

Ich durfte fortan viele, ja sehr viele, Kommentare mit ihm gemeinsam gestalten. Und es war jedes Mal eine Freude. Bei keinem anderen war die Rollenverteilung so klar geregelt. Erich übernahm das Kommentieren, stellte mir keine unnötigen 08/15-Fragen zu den Aufstellungen beider Teams, sondern eröffnete die Spiele in gewohnt unaufgeregter Manier. Umgekehrt ließ er mir als Experten aber auch sämtliche Analysen und Zeitlupen, sprich ich durfte mich hier vollends austoben.

Und auch wenn ich nicht seiner Meinung war, hatten wir Spaß daran, das „oben“ im Kommentar auszudiskutieren. Auf eine ganz andere Art und Weise als mit Guido Friedrich, aber immer unterhaltsam. Beispiel gefällig?

Wien gegen Linz im Herbst 2011. Ross Lupaschuk schoss kurz vor Ende auf das Tor, die Scheibe wurde für mich offensichtlich von einem anderen Wiener Spieler (keine Ahnung mehr, wer das war) entweder abgefälscht oder per Rebound reingeschossen. Ich weiß es echt nicht mehr. Fix weiß ich aber, dass eben Lupaschuk nicht der Torschütze war, obwohl er offiziell als solcher geführt wurde.

Erich nannte ihn als Torschützen – weil eben so gemeldet und auch von unserer Grafik so eingespielt. Ich bestand aber darauf, dass es ein anderer Wiener gewesen war. Erich und ich argumentierten, während uns eine Vielzahl an Wiederholungen (die meine Eindrücke bestätigten) eingespielt wurde. Letzten Endes musste mich Erich aber zurückpfeifen, da ja das Match fortgesetzt wurde und er schließlich auch weiterhin durch den Kommentar führen musste. Und das tat er mit den ungefähren Worten: „Lieber Sascha, da werden wir uns jetzt nicht mehr einig. Also, sei’s drum. Lupaschuk ist der Torschütze.“

Selten wurde ich so schnell und so elegant abgewürgt. Das „sei’s drum“ wurde bald zum geflügelten Wort in unserer Redaktion. Und es war genaugenommen ein sprachlich genialer Schachzug, um zum Wesentlichen zurückzukehren. Nämlich zu dem Eishockeyspiel, das wir übertrugen.

Das war aber nur eines von vielen Beispielen, wie souverän Erich kommentierte, mit all seiner so beeindruckenden Ausdrucksweise. Ich glaube niemand in unserem Team hatte einen so großen Wortschatz wie Sir Erich. Das waren Dinge, die mir anfangs noch nicht so wichtig waren, aber je länger wir zusammenarbeiteten, desto mehr Gefallen fand ich an seiner Art des Kommentierens – gerade weil sie anders war. Und Menschen mit so einprägsamen Stimmen wie Erich (oder zB auch Charly Leitner bei SKY), haben diesen angenehmen Wiedererkennungswert.

Als ich für zwei Saisonen die Ehre hatte, nicht nur als Co-Komm, sondern dann auch selbst als Kommentator Spiele zu begleiten, fragte ich die Kollegen natürlich um Tipps – und alle waren sehr hilfsbereit, übten positive wie negative Kritik. Am interessantesten war hier aber die Rolle von Erich für mich als Kurzzeit-Mentor. Er gab mir zwar Feedback, hielt sich aber bewusst zurück, weil er der Meinung war, ich sollte unbedingt meinen eigenen Stil finden. Und das war irgendwie der wertvollste Tipp von allen.

Nach unserer letzten gemeinsamen Saison kam Erich in Salzburg nach dem finalen Spiel auf mich zu und meinte: „Sascha, wir waren heuer ein wirklich tolles Duo! Es hat echt Spaß gemacht, mit Dir gemeinsam zu arbeiten und zu kommentieren!“

Wow! Denn wer Erich kennt, der weiß, dass er zwar immer nett, aber eben auch emotional eher zurückhaltend und beherrscht ist. Da schießen die Komplimente nicht so raus, wie zB bei Werner Sejka und vermutlich ist mir dieses kurze Gespräch mit dem Sir daher bis heute so positiv in Erinnerung geblieben.

Er war mein Kindheitsidol (schließlich wollte ich ja immer Sportreporter werden), er war kurz der Kommentator meiner eigenen Spiele als Profi und er war für mehrere Jahre mein Kommentator und eine Art Mentor im Rahmen der Servus Hockey Night. Er war – nein, er ist: Sir Erich Weiss.