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Der langzoderte Ungustl

Leider ist die Position im Fernseh-Studio in Salzburg zu klein, als dass wir zu dritt neben einander stehen konnten. Somit durften Heimo Lindner und ich immer nur abwechselnd mit Andrea Schlager (@AndreaSchlager5) plaudern und analysieren, was Spiel V zwischen Salzburg und Linz zu bieten hatte. Warum „leider“?
Gute Frage.

Vor rund 15-20 Jahren hätte ich wohl mit jedem anderen Crack der Liga lieber in einer Runde zusammengestanden als mit Heimo Lindner.

Er war der personifizierte Ungustl, immer aggressiv gegenüber allen auf dem Eis befindlichen Personen, immer im ständigen verbalen Infight mit Gegenspielern, dazu noch das andauernde überlaute Motivieren der eigenen Mitspieler und immer zu einer beinharten Attacke bereit, die oftmals auch in dem ein oder anderen Tänzchen mit seinem jeweiligen Kontrahenten mündete.

Und dann war da noch dieses Tor-Ungeheuer in ihm. Egal, wann und wo ich dem rotblonden Langzoderten gegenüberstand, er hat einfach immer Tore geschossen, gleich, ob er in einer Top-Mannschaft spielte oder für einen Mittelständler einlief.

Heimo Lindner war präsent, beim Warm Up, beim Match, in jeder Unterbrechung. Vermutlich genau deshalb sah ich auch nach dem Spiel nie eine Veranlassung, mit ihm ein nettes Pläuschchen zu beginnen. Nicht nach all dem Bull-Shit, den wir einander gegenseitig noch kurz davor auf der Platte zugerufen haben. Ich denke, ihm schien es ähnlich zu ergehen.
Heimo Lindner war der Gegenspieler, der Dir unter die Haut gegangen ist. Da gab es kein Ausweichen, an einem schlechten Abend, an dem man einfach nur seine Ruhe haben und sein Spiel spielen wollte. Er wusste das konsequent und vehement zu verhindern. Er schimpfte rum, verteilte ein paar Stockschläge rund ums Tor, schimpfte in Richtung eines eigenen Teamkollegen und lief dann zweimal mit dem Puck auf der Seite runter, um mit seinem sensationellen Schlagschuss zwei Treffer zu erzielen – bumm bumm – aus einem 0:1 wurde ein 2:1. Partie gedreht. Fans entzückt. Heimo Lindner Eishockeygott!

Heimo war übrigens tatsächlich einer der letzten Stürmer einer Generation, die noch regelmäßig mit Slap-Shots Tore schießen konnten.

Eine Variante, die man beim Tempo des heutigen Eishockeys als Stürmer kaum mehr anwendet, weil die Verteidiger einem auch gar nicht mehr die Zeit zum „Aufreiben“ geben.

Aber zurück zu Heimo Lindner. Ich hoffe, ich habe meine damalige Abneigung ihm gegenüber deutlich genug zum Ausdruck gebracht. Er und ich: Wir hatten einander gefunden, denn auch wenn ich mit seinen Scorer- (und auch Fighter-) Qualitäten nie mithalten konnte, so war ich zumindest beim Trash-Talk ein hoffentlich ebenbürtiger Gegner. Es gab wohl keine einzige Partie, bei der wir nicht irgendwie verbal aufeinandergeprallt sind.

Naja – und jetzt fast 20 Jahre später – stehen wir gemeinsam am Balkon im Salzburger Volksgarten, plaudern über alten Zeiten, plaudern über unsere aktuellen beruflichen Tätigkeiten und analysieren gemeinsam (ohne Kamera und Mikro) diverse Szenen und auch spezielle Spieler und deren spezielle Aktionen auf dem Eis. Verwenden dabei eventuell sogar mal das ein oder andere Wort, das wir wenige Minuten später „on air“ natürlich nicht mehr wiederholen. Heimo Lindner ist Trainer in der Tiroler Elite-Liga und gerade mit seinem Team Meister geworden.

Er zeigt, dass er nicht nur als Brecher und Goalgetter stark war, sondern sich richtig intensiv mit dem Sport auseinandersetzt, dass er ihn von Grund auf verstanden hat und dies ist tatsächlich nicht bei allen aktiven wie auch ehemaligen Cracks selbstverständlich.

Wir stehen da oben und haben richtig viel Spaß, denn dass wir Zwei auf dieselbe Art von Schmäh stehen, ist ja ohnehin klar. Wir hatten nur nie das Vergnügen, in ein und derselben Kabine zu sitzen.

Am Nachhauseweg Montagabend von Salzburg habe ich in Erinnerungen geschwelgt, habe vor allem über die Play-Off-Serie 2001 nachdenken müssen, als Heimo für Innsbruck und ich für Kapfenberg stürmte. Nach vier harten Duellen in der regular season trafen wir in der best-of-five-Serie im Viertelfinale erneut aufeinander und gingen über die volle Distanz. Im allerletzten Spiel gelang uns der Auswärtssieg in der damals noch großen und gut gefüllten Olympiahalle. Lindner und seine Kollegen (unter anderem Clausi Dalpiaz und Peter Kasper) waren als großer Favorit zu Recht am Boden zerstört. Aber je mehr ich über Lindners Auftreten auf dem Eis nachgedacht habe, desto mehr wurde mir klar, wie gut er damals war.

Der perfekte Profi, der jedes Spiel gewinnen wollte. Moment. Das wollte ich ja auch. Aber bei ihm war da mehr. Er wollte nicht nur gewinnen. Er hasste es, zu verlieren. Er war ein schlechter Verlierer, weil er es verabscheute. Und genau deshalb war er bereit, alles für einen Sieg zu tun. Ich selbst wollte zwar auch gewinnen, hatte aber nie diesen unbändigen Willen, der Lindner auszeichnete.

Und mit „perfekter“ Profi meine ich jetzt nicht, dass er brav jeden Abend um 20 Uhr schlafen ging, nachdem er zwei Mal pro Tag Grundlagenausdauer trainiert hatte und sich mit Körndl-Futter aufgepeppt hatte. Mit „perfekter“ Profi meine ich seine Einstellung zum Sport, seine Hingabe, die ihn eben auch bei den jeweiligen Fans zum absoluten Publikumsliebling gemacht hat. Und genau deshalb bleiben Typen wie Heimo Lindner in Erinnerung. Genau deshalb wurde er von unseren Seherinnen und Sehern für einen Auftritt in der Servus Hockey Night gewählt. Und das zu Recht! Denn die Lindners dieser Welt sind jene Typen, die das Hockey braucht, die die Fans brauchen und die auch wir als Broadcaster liebend gerne vors Mikro holen. Thanks for coming Heimo!